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Army go homeSeit Ende der 90er Jahre lässt das Hollywood-Kino einem ungesunden Trend folgend den Krieg nicht mehr nur in flammenden Antikriegs-Klageliedern stattfinden, sondern zunehmend wieder in klassischen, miltär-ehrerbietigen Heldengedichten. Filme wie "We were soldiers", "Windtalkers", "Behind enemy lines" oder "Blackhawk Down" idealisierten - obwohl in den meisten Fällen noch vor dem 11. September gedreht - das Schießen und Sterben trotz halbwegs realistischer Darstellung des Kriegs wieder zur Soldatenherrlichkeit klassischer (Film-)Schule: Der Soldat als heroisierter Recke im Kreuzfeuer zwischen gesichtslosen Feinden und unfähigen, zumeist zivilen Befehlshabern. Da tut es gut, dass das zeitgenössische Kino die Militärsatire als klassischen Gegenentwurf zum soldatischen Heldenlied nicht vergessen hat: Gregor Jordans "Buffalo Soldiers", in Deutschland unter dem Titel "Army go home" im Kino zu sehen, ist eine solche, und sie trifft Onkel Sam dort, wo es ihm derzeit sicherlich am meisten weh tut: Bei seinen tapferen Jungs in Uniform.
Elwood, der sicherlich nicht zufällig genauso heißt wie der schlaksige von John Landis beiden Blues Brothers und von Joaquin Phoenix in einer Mischung aus behäbiger Genusssucht, gefälliger Nonchalance und lakonischer Durchtriebenheit gespielt wird, ist ein Organisationsgenie im Chaos der amerikanischen Streitkräfteversorgung: Wo es eines hochprozentigen Reinigungsmittels bedarf, da bestellt der engagierte Vaterlandsdiener auch schon einmal die hundertfache der gebrauchten Menge, um diese dann generalstabsmäßig auf dem örtlichen Schwarzmarkt zu verhökern. Der weichherzige, gutgläubige vorgesetzte Colonel wird mit einigen markigen Sprüchen zufrieden gestellt und anschließend seine Ehefrau flachgelegt. Elwood ist die umtriebige Militär-Variante von John Hughes Ferris Bueller aus "Ferris Bueller's day off", ein missratener, vor Amoral nur so triefender entfernter Verwandter des Soldaten Schwejk, der das auf den Stufen der Army-Kaserne vermerkte Motto "Be all you can be" zu seinem persönlichen obersten Gesetz uminterpretiert: Sich alles zu gönnen und sich niemals erwischen zu lassen. "Krieg ist die Hölle, aber Frieden ist höllisch langweilig." - Regisseur Gregor Jordan lässt sich die US-Boys in der westdeutschen Provinz im wahrsten und bildlichsten Sinne zu Tode langweilen. Als ein schwarzer Rekrut beim improvisierten Footballgame in der vor Ödnis nur so strotzenden Mannschaftsunterkunft zu Tode kommt, verpassen die übrigen Soldaten ihrem dahingeschiedenen Kameraden post mortem einen Freiflug aus dem vierten Stock, um den Angehörigen mitteilen zu können, er sei bei Reparaturarbeiten auf dem Dach der Kaserne umgekommen. Schon hier treibt der junge australische Regisseur auf makaberste Weise mit dem Entsetzen Scherz. Als die komplett bekiffte Besatzung eines Panzers ins Manöver rollt, bleiben mal eben eine explodierte Tankstelle, zwei bis zur Unkenntlichkeit verkohlte US-Soldaten und ein herrenloser Lkw voller Boden-Luft-Raketen vom Typ Stinger zurück Und während die Leichen US-Army-Specialist Ray Elwood nur einen gelangweilten Augenaufschlag abringen, erkennt der Vollblut-Geschäftemacher in den Raketen sofort die Chance für den ganz großen Deal. Stinger gegen Heroin - so soll das Geschäft mit der örtlichen Russenmafia laufen. Dummerweise mischen sich unliebsame Konkurrenten in das Geschäft ein, Elwood bekommt von seinem neuen Vorgesetzen, dem unbestechlichen, beinhartem Vietnamveteranen Lee, Feuer unter dem Allerwertesten gemacht, und während sich korrupte Militärs und Drogengangster auf dem Army-Stützpunkt eine Schlacht um das Rauschgift liefern, fällt ganz nebenbei die Berliner Mauer.
Selbst der unbestechliche Kriegsveteran Robert Lee, der natürlich ausgerechnet so heißt wie der berühmte Konföderierten-General im amerikanischen Sezessionskrieg, auf den sich die blasierten, dünkelhaften und affektierten Offiziersmemmen des Stützpunktes so gerne berufen, versagt trotz drakonischer Maßnahmen (so findet zum Beispiel Ray Elwoods schnieker Mercedes Benz im Übungsbetrieb der Truppe ein schmähliches Ende) bei der Aufgabe, den fauligen Morast auszutrocknen. In anderthalb Stunden vollzieht "Buffalo Soldiers" dabei die Pirouette von Gaunerkomödie über Sozialdrama bis zur völlig surrealistischen Groteske, die in ihrem feurigen Finale nichts mehr ernst nimmt, weder ihre nachtschwarze Story noch ihre zappeligen Figuren. Darstellerisch hat "Buffalo Soldiers" Hochkarätiges zu bieten: Neben Joaquin Phoenix, der zunächst von Elizabeth McGovern und anschließend von der wie immer hinreißenden Anna Paquin umschwirrt wird, ist der ansonsten eher auf markige Typen abonnierte Ed Harris als einfältiges, weinerlich-versponnenes Mondkalb Colonel Wallace Berman eine Augenweide. Scott Glenn verleiht dem eisigen Sergeant Lee, der seine brutal-sadistische Ader mit dem Etikett des unbestechlichen Moralapostels kaschiert, den nötigen Stich ins Pathologische. Auch wenn Gregor Jordan die moralischen Abgründe grotesk überzeichnet, so ganz ab von der Realität ist seine Darstellung nicht. Tatsächlich durchlebte die US-Armee in den letzten Jahren des Ost-West-Konfliktes eine massive Identitätskrise. In Folge von Rekrutierungsschwierigkeiten in den USA verfiel man darauf, jungen Straftätern wie im Falle Ray Elwoods als Alternative zum Knast den Dienst an der Waffe auf unbeliebten Standorten - wie zum Beispiel in Europa - anzubieten. Erst mit dem militärisch erfolgreichen Krieg im Irak 1991 konnte sich das US-Militär in der öffentlichen Meinung rehabilitieren. Truppenintern wurden tatsächlich Ausputzer vom Format des Army-Sergeanten Lee eingesetzt, um die faulen Eier auszumerzen. Auch wenn diese Ära mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt, ist das Thema in Zeiten wiederentdeckter Soldatenherrlichkeit und eines drohenden Kriegs im Irak aktueller als je zuvor. George W. Bush dürfte diesen Film hassen. Wenn er ihn denn je zu sehen bekommt: In Amerika hat "Buffalo Soldiers" bis heute keinen Starttermin. Johannes Pietsch |
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