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Der Korb hängt zu hoch: Basketball bleibt Randsportart

Die Enttäuschung der deutschen Basketballer und ihrer Fans nach dem blamablen Ausscheiden in der Vorrunde der Europameisterschaft in Schweden war riesengroß. Noch nie war ein deutsches Basketballteam derart mit Vorschusslorbeeren überhäuft worden, nie so zuversichtlich zu einem Turnier gefahren und in ein derart tiefes Loch gefallen.

Spieler, Anhänger und Experten waren sich einig: "Der Titel ist drin", wenigstens aber die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2004 in Athen.

In den letzten zwei Jahren mühsam erworbene Popularität

Die Euphorie war nicht unbegründet, denn schließlich war die deutsche Auswahl in den letzten zwei Jahren erfolgreich wie seit dem überraschenden EM-Titel von 1993 nicht mehr. 2001 belegte das Team bei der EM in der Türkei den vierten Platz und gewann 2002 sensationell die Bronzemedaille bei der WM in Indianapolis. Außerdem steht mit NBA-Profi Dirk Nowitzki einer der besten Basketballer der Welt in den eigenen Reihen, der in Deutschland beliebt ist und in den USA als "German Wunderkind" verehrt wird. Dank dieser mühsam erworbenen Popularität hatte sich sogar das öffentlich-rechtliche Fernsehen nach zähen Verhandlungen bereit erklärt, die Spiele der Deutschen live zu übertragen.

Der Weg war geebnet, Basketball in Deutschland mit einem großen Erfolg von seinem Image als Randsportart zu befreien.

Dem Druck des Favoriten nicht standgehalten

Doch keines der hohen Ziele kam auch nur annähernd in Reichweite, obwohl das Turnier vielversprechend begann und die beiden ersten Spiele gewonnen wurden. Doch bereits das Auftaktspiel gegen Israel offenbarte Defizite im deutschen Team. Die Mannschaft agierte unsicher, Fehlpässe häuften sich. Dirk Nowitzki sprach nach dem Spiel sogar wütend von Fehlern, die nur einem "Schülerteam", nicht aber einem Titelaspiranten passierten. Vor allem die schwachen Defensivleistungen zogen sich wie ein roter Faden durch das gesamte Turnier, so dass im entscheidenden Spiel gegen die Italiener selbst ein zwischenzeitlicher Vorsprung von 13 Punkten nicht zum Sieg reichte.

Trainer Henrik Dettmann analysierte: "Die Defensive ist ein Tanz von fünf Männern, nur fanden wir nie unseren Rhythmus. Das hat uns das Selbstvertrauen gestohlen." Dem Druck, als Titelaspirant gehandelt zu werden, konnte die Mannschaft nicht standhalten. "Wir haben in allen Spielen die Rolle als Mitfavorit unterschätzt. Alle waren heiß, weil wir als WM-Dritter gekommen sind", befand Dirk Nowitzki als weiteren Grund für das unerwartet frühe Ausscheiden und resümierte: "Wir hatten zwei superschöne Jahre. Aber jetzt haben wir ein Tief."

Plan- und Ratlosigkeit der Verbandsführung

Die Krise offenbart aber nicht nur die Defizite im sportlichen Bereich, sondern auch die Rat- und Planlosigkeit der Verbands-Bosse.

Drei Stunden nach dem Debakel trat der Vizepräsident des Deutschen Basketball Bundes (DBB), Wolfgang Hilgert, vor die Presse und verkündete das Ende der Zusammenarbeit mit Bundestrainer Dettmann. Verwunderlich, denn nur wenige Minuten vorher hatte DBB-Leistungssportdirektor Wolfgang Brenscheidt erklärt: "Wir werden jetzt nicht reagieren. Wir machen das in Ruhe. Es gibt keinen Grund, hier eine Personaldiskussion anzufangen". Das störte Hilgert aber wenig und er machte die Kompetenzverteilung unmissverständlich klar. "Ich bin sein Vorgesetzter". Peinlich nur, dass er am nächsten Tag dann selbst zurückgepfiffen wurde. Präsident Roland Geggus bekräftigte noch einmal, dass es "keinen Schnellschuss" gebe und "kein akuter Handlungsbedarf" bestehe. Sogar eine mögliche Weiterbeschäftigung des Trainers wollte er nicht ausschließen. Auf der Krisensitzung des DBB am vergangenen Wochenende in Hagen wurde dann allerdings doch die Demission des Trainer bekannt gegeben.

Ein Hin und Her, das mangelnde Professionalität der Vorstandsetage zu Tage treten lässt. Außerdem wurde dem zwar umstrittenen, aber trotzdem sehr erfolgreichen Trainer ein würdigerer Abschied verbaut. Sein Vertrag wäre ohnehin am 31.Oktober ausgelaufen.

Auswirkungen der Blamage noch lange spürbar

Auch irrte Hilgert, als er nach seinem Alleingang seinen sichtlich verärgerten Kollegen Brenscheidt mit den Worten "Sieh es doch mal so: Jetzt haben wir die Scheiße hinter uns" aufrichten wollte. Denn ob nun mit Trainer Dettmann oder ohne, die Auswirkungen der Blamage von Schweden werden noch lange spürbar sein.

Die verpasste Teilnahme an Olympia in Athen kostet den DBB zum einen Fördergelder des Bundesinnenministeriums und Sponsorengelder, zum anderen wird die Nationalmannschaft für ein Jahr aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit und der Fernsehschirme verschwinden, da die Qualifikation für die nächste EM erst im September 2004 ansteht. Eine schnelle Rehabilitation für die Blamage ist somit nicht möglich.

Fraglich ist auch, ob Starspieler Dirk Nowitzki in absehbarer Zeit wieder im Nationaldress auflaufen wird, denn zunächst wolle er "eine gute Saison in Dallas spielen". Ohne den Weltstar aber wird das Medieninteresse an der Nationalmannschaft wohl eher gering ausfallen.

Trotz EM-Pleite kein nachlassendes Fan-Interesse an der BBL befürchtet

Liga-Manager Otto Reintjes sieht deshalb die Bundesliga (BBL) im Zugzwang. Sie müsse jetzt das schlechte Bild korrigieren und dafür sorgen, "dass Basketball nicht völlig abtaucht". Trotz aller Negativschlagzeilen befürchtet Reintjes allerdings kein nachlassendes Fan-Interesse an der Liga. "Die Clubs sind regional verankert und haben einen festen Anhängerstamm", erklärt er seine positive Einschätzung der Lage.

Aber nach der verflogenen Euphorie der WM-Bronzemedaille wird es schwer, neue Fans für den Basketballsport zu begeistern und so die Sportart im Konkurrenzkampf um Fernsehpräsenz und Sponsoren gegen Eishockey und Handball zu behaupten.

Allerdings konnte ein TV-Vertrag mit dem Deutschen SportFernsehen (DSF) geschlossen werden, der immerhin ein Live-Spiel pro Spieltag garantiert. Verhandlungen mit anderen Sendern um weitere Live-Übertragungen bzw. Magazin-Formate laufen noch. Auch die Suche nach einem neuen Liga-Generalsponsor soll bis zum Saisonstart am 10. Oktober abgeschlossen sein. Ein positives Ergebnis bei der EM hätte hier sicherlich noch zusätzliche Impulse geben können, aber Reintjes gibt sich hoffnungsvoll: "Wir haben drei ganz heiße Eisen im Feuer".

Verbesserte Nachwuchsarbeit als Ausweg aus der Krise

Großes Interesse sollte trotzdem der Nationalmannschaft als Aushängeschild der BBL gelten. Deutschland wird 2004 zum dritten Mal in Serie bei Olympia fehlen. Ein großer Imageverlust für Verband und Sportart, da die Teilnahme an der größten Sportveranstaltung der Welt Medienpräsenz und Sponsoreneinnahmen garantiert.

Peking 2008 kommt für die meisten Spieler sicherlich zu spät. "Wir sind noch jung", behauptet zwar Patrick Femerling, aber der Spieler des FC Barcelona wird in fünf Jahren wie auch einige andere Spieler bereits 33 sein. Darüber hinaus planen Leistungsträger wie Marco Pesic bereits 2005 ihre internationale Karriere zu beenden.

Um diese Lücken auf lange Sicht zu schließen, und das deutsche Basketball wieder auf das Niveau der letzten beiden Jahre zu bringen, ist auch ein Umdenken in den meisten Clubs notwendig. Denn nur die wenigsten Bundesligisten betreiben eine zukunftsorientierte Jugendarbeit. Die unter Erfolgsdruck stehenden Verantwortlichen setzen auf fertige Spieler, anstatt jungen Sportlern die notwendige Zeit zur Entwicklung zu geben. Die Folge: Fast überall werden ausländische Spieler deutschen Talenten vorgezogen. Ein Problem, das Mithat Demirel, Aufbauspieler der deutschen Nationalmannschaft, bestens kennt. Bei seinem Club Alba Berlin ist auch er nicht immer erste Wahl, sondern muss mit dem US-Boy DeJuan Collins um einen Platz kämpfen. Deshalb mahnt er mit Blick auf die nächsten Jahre: "Wir dürfen in Deutschland den Nachwuchs nicht vergessen, sonst stehen wir irgendwann blöd da."

Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang die Konzepte von Alba Berlin und den Opel Skyliners aus Frankfurt. Beide betreiben durch Kooperationen mit regionalen Partnern aus Industrie und Sport effektive Jugendförderung. Die "Basketball Academy Rhein-Main" der Skyliners will Basketball-Talenten der Region neben der sportlichen Ausbildung auch eine schulische Förderung anbieten.

Vielleicht kann sich dank derartiger Fördermaßnahmen in absehbarer Zeit neben Nowitzki ein zweiter deutscher Basketball-Held entwickeln, der helfen kann, den deutschen Basketballsport aus dem tiefen Loch des europäischen Mittelmaßes wieder herauszuholen.

Malte Asmus

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