Brillant: Der neue Film von Agnès Jaoui

Schau mich an!

Französisches Kino ist Erzählkino – im Guten wie im Schlechten. Taugen die Dialoge eines Films nichts, lohnt sich daher der gesamte Streifen nicht. Natürlich gilt auch umgekehrt, je besser die Dialoge, desto besser der Film. Und so verhält es sich auch mit »Schau mich an!«, dem neuen Werk der Pariser Regisseurin und Schauspielerin Agnès Jaoui: Entstanden ist eine Komödie voller Wortwitz und Esprit über die kleinen und großen zwischenmenschlichen Schwierigkeiten.

Lolita (Marilou Berry) und ihre Gesangslehrerin Sylvia (Agnès Jaoui)
Foto: Prokino
Obwohl die Handlung etwas klischeehaft innerhalb einer erfolgreichen Pariser Schriftstellerfamilie – Etienne Cassard (großartig: Jean-Pierre Bacri, der zusammen mit Jaoui das Drehbuch verfasste) ist ein bekannter Autor, während seine Familie wie seine junge Frau Karine (Virginie Desarnauts) und seine Tochter Lolita (Marilou Berry) unter seinen egozentrischen Launen zu leiden haben – und ihres beruflich-privaten Umfeldes angesiedelt ist, ist Jaoui eine pointierte Gesellschaftssatire mit exakten Charakterstudien gelungen.

So kämpft jede Figur mit ihren Problemen, meistens nicht in der Lage, sich gegenüber ihren Mitmenschen verständlich zu machen: Lolita kämpft seit Jahren vergeblich um die Anerkennung ihres Vaters, der wiederum kümmert sich nur um sich selbst, ohne seine Frau zu beachten. Cassards Schriftstellerkollege Pierre plagt sich derweil mit Selbstzweifeln und auch seine Frau Sylvie, deren Rolle als Gesangslehrerin Jaoui neben ihrer Regietätigkeit übernommen hat, ist in ihrem Leben nicht völlig zufrieden.

»Am meisten interessiert es mich auszuloten, wie schwierig, wie widersprüchlich es ist, ganz Mensch zu sein und seinem eigenen Wesen treu zu bleiben«, beschreibt Jaoui ihr Anliegen, ein höchst universelles Thema – das Streben eines jeden nach Anerkennung, Beachtung, Trost oder auch persönlichem Erfolg – schwungvoll und unterhaltsam in Szene zu setzen. Diesen Anspruch zu einzulösen, ist ihr mit »Schau mich an!«, der in Cannes mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde, eindrucksvoll gelungen.

Stefan Ewert

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