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Semiramide

Die babylonische Königin Semiramide (bekannt als Weltwunder-Besitzerin), hat nicht nur ihre Hängenden Gärten, sondern auch eine handfeste Staatskrise am Hals: Nachdem sie vor 15 Jahren ihren Gatten, König Nino, mit Hilfe ihres Liebhabers Assur gemeuchelt hat, verlangen Gesetz und ungeduldiger werdendes Volk vehement die Ernennung eines neuen Thronfolgers.

Ihr Sohn Ninia, der eigentliche Erbe der Macht, ist vor 15 Jahren verschwunden, Semiramide verdächtigt Assur. Dieser wiederum verlangt von ihr, ihn selbst zum Thronerben zu ernennen, andernfalls werde er ihre Beteiligung am Gattenmord publik machen. Als Semiramide in dieser vertrackten Situation das Orakel befragt, erhält sie zur Antwort, wenn der Krieger Arsace nach Babylon heimkehre und Hochzeit gefeiert werde, werde sie Frieden finden. Semiramide schmiedet Heiratspläne, doch sie hat die Rechnung ohne Arsace, ihre Tochter Azema, deren Verehrer Idreno, den karrierebewussten Assur und nicht zuletzt ohne den Geist des verblichenen Königs gemacht.

Foto: Deutsche Oper
Mit "Semiramide" hat sich die Deutsche Oper Berlin an eine selten gespielte Opera seria Gioacchino Rossinis gewagt. Das Melodramma tragico findet in beklemmender Atmosphäre statt: Kalte graue Wände rahmen die Bühne ein, nur durch riesenhafte Türen, die wie Fahrstuhlzugänge aussehen, fällt gelegentlich etwas mehr Licht, die Kostüme sind hauptsächlich in dunklen Farben gehalten: Bernd Damovsky hat der Regie eine karge, aber ästhetisch sehr ansprechende Ausstattung zur Verfügung gestellt – schade nur, dass auch die Bemühungen der Regie (Kirsten Harms) eher karg ausfallen: Es passiert einfach zu wenig. Nun ist "Semiramide" ohnehin ein handlungsarmes Stück, die meisten Szenen sind Gespräche zwischen den beteiligten Personen, schließlich muss die verwickelte Geschichte aus der Vergangenheit an den Zuschauer gebracht werden. Das teilweise hanebüchene Libretto Gaetano Rossis leidet an einer viel zu ausführlichen Exposition und weiteren Längen, insgesamt dauert die Vorstellung mehr als vier Stunden – das kann leicht ermüdend werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Übertitel sehr spärlich erscheinen, sodass beim Zuschauer das Gefühl aufkommt, Wichtiges zu verpassen. Daneben steht die andere Seite: Einige sehr gelungene, sogar komische Szenen, ein Ende des ersten Aktes das spannend ist bis zum Mitfiebern – und die Musik, die Gesangkunst, die bei einer (Belcanto-)Oper natürlich ohnehin das wichtigste ist. Semiramide (Darina Takova) missglückt in der 3. Aufführung eine Arie, sie ist aber sonst den Abend hindurch ausgezeichnet disponiert und erntet noch tosenderen Applaus als die anderen Solisten. Auch der Krieger Arsace wird von einer Frau gesungen – die Hosenrolle ist eine Spezialität Rossinis – und Jennifer Larmore überzeugt restlos: Sie ist der Höhepunkt des Abends. Simone Alaimo (Assur), Raquela Sheera (Azema), Reinhard Hagen als Priester Oroe und die übrigen Solisten bieten ebenfalls solide und gute Arbeit, nur Gregory Kunde (Idreno) ist offensichtlich völlig überfordert und quält hörbar sich und seine Stimme. Das Orchester unter der Leitung von Rossini-Spezialist Alberto Zedda spielt in fein ziselierten Klängen, wenn auch nicht ganz fehlerfrei; der von Ulrich Paetzoldt einstudierte Chor kann ebenfalls überzeugen.

Und die Moral von der Geschicht'? Am Ende sitzt Arsace auf dem Thron, der heimgekehrte Krieger ist in Wirklichkeit der vermisste Königssohn Ninia. Er hat bei dem Versuch, seinen Vater zu rächen und Assur zu töten, versehentlich seine Mutter Semiramide erschlagen. Oroe ruft ihn zum König aus. Hier werden die Ansätze einer eigenen Interpretation, die die Regie kaum wahrnehmbar schon in den vorausgegangenen Stunden eingestreut hatte, erkennbar verdichtet: Oroe, bis dato eher im Hintergrund aktiv, hat die Geschicke des Staates in die Hand genommen, und Arsace, der nach dem Tod der Mutter selbst sterben will, als König von seinen Gnaden eingesetzt, als Marionette. Ninia lässt sich willenlos feiern, mit einem Jubelchor des Volkes endet Rossinis Oper, aber das Bild auf der Bühne sagt etwas anderes, und das Publikum bekommt viel Anstoß zum Weiterdenken. Die Hängenden Gärten sind schon vor der Pause abgestürzt.

Nora Mansmann

Link:
Deutsche Oper Berlin

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