Signs – Zeichen
Wieder erzählt M. Night Shyamalan eine von Geisterhauch-Kälte umwehte
Schattenreich-Parabel zwischen Mythos und Mysterium. Es gibt erneut die
spielerische Verwirrung der Realitäts- und Genreebenen zu bestaunen,
wiederum hat ein (diesmal besonders tragisches) Ehedrama einen wichtigen
Bezug zum Geschehen, und wieder sind es kleine Kinder, die den Schrecken
eher realisieren als ihre erwachsene Umwelt.
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Ein Bild der Verwüstung. |
Sage und schreibe 600 Millionen Dollar spielte M. Night Shyamalans
spirituelles Schauermärchen "The Sixth Sense" ein. Danach sprach jeder
über das Ende, das alles noch einmal auf den Kopf stellte. Darüber, dass
man wie kurz zuvor in David Finchers "Fight Club" einer unglaublich
simpel konstruierten, aber grandios umgesetzten Illusion auf den Leim
gegangen war. Nur ein Jahr später schickte Shyamalan den jenseitig
dreinblickenden Bruce Willis ein weiteres Mal an die Grenzen von Sein
und Schein, und wieder war es ein kleiner Junge, der der Wahrheit ins
Auge blicken konnte. Mit seinem mittlerweile fünften Werk "Signs"
gelingt es dem indisch-amerikanischen Regisseur nun, einer an sich vor
allem in Esoterikzirkeln, drittklassigen Wissenschaftsmagazinen oder
Erich-von-Däniken-Lichtbildervorträgen beheimateten Thematik einen ganz
eigenen filmischen Stempel aufzudrücken.
Herausgegriffen hat sich M. Night Shyamalan das Rätsel der sogenannten
Kornkreise, jener großflächig niedergedrückten, hochsymmetrisch
angeordneten geometrischen Strukturen in Getreidefeldern, die gegen Ende
der 70er Jahre die Phantasie so mancher tatsächlicher und
selbsternannter Wissenschaftler, Ufologen bis hin zu
Glaubenstheoretikern beschäftigten und deren skurriler Kultcharakter,
der bisweilen an den pseudowissenschaftlichen Tanz um ein goldenes Kalb
erinnert, auch dann nicht gänzlich zum Erliegen kam, als sich 1991 die
meisten dieser Agrarkunstwerke als Freizeitspaß eines britischen
Rentnerduos entpuppten.
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Das Grauen wartet im Keller... |
Dabei sind die titelgebenden Kornkreise nur reiner Aufhänger für eine
wieder traumwandlerisch zwischen den Genres und zwischen den Polen
Horror und Drama mäandernde Story. Den Part von Bruce Willis als
einsamer, zweifelnder und von den Schatten der Vergangenheit gepeinigter
Held übernahm diesmal Mel Gibson. Als ehemaliger Priester Graham Hess
hat er sich nach dem tragischen Unfalltod seiner Frau vom Glauben
abgewandt und erzieht gemeinsam mit seinem Bruder Merril (Joaquin
Phoenix) die beiden Kinder Morgan (Rory Culkin) und Bo (Abigail Breslin)
auf einer einsam gelegenen Farm in Pennsylvania. Die auf einmal in
seinen Maisfeldern erscheinenden geometrischen
Formen sind nur ein Zeichen des nahenden Unheils: Tiere werden grundlos
aggressiv, Grahams Kinder benehmen sich eigenartig und nachts sind
rätselhafte Geräusche rund um die Farm zu hören. Die örtliche Polizei
ist ratlos, sind doch die Erscheinungen auf Grahams Farm nicht die
einzigen Ereignisse, die für Unruhe in der Bevölkerung sorgen. Und das
nicht nur in Pennsylvania.
M. Night Shyamalans Vorgängerfilme zeichneten sich beide dadurch aus,
eine scheinbar schlüssige Geschichte durch eine rasante Wendung am
Schluss auf den Kopf zu stellen und damit dem Zuschauer förmlich den
Boden unter den Füßen fortzureißen. Auch in "Signs" arbeitet der
ambitionierte Filmemacher mit dem Moment der Überraschung, setzt es
aber diesmal wesentlich subtiler, verstreuter, nicht auf einen Punkt der
Handlung konzentriert, ein.
Mehr als in den beiden Vorgängerfilmen zitiert er dabei jedoch Motive
benachbarter Genres. In unheilsschwangerer "Akte X"-Atmosphäre beginnend
steigert sich die kryptische, stets von Verwirrspielen und falschen
Fährten gekennzeichnete Geschichte von "Signs" zu einem apokalyptischen
Weltuntergangs-Szenario von H.G. Well'schen Ausmaßen. Spielerisch
bedient sich Shyamalan des "War of the worlds"-Themas aus "Independence
Day" ebenso wie der Thematik einer kleinen Gruppe Belagerter in einem
von der Außenwelt hermetisch abgeschlossenen Areal aus John Carpenters
"Assault On Precinct 13" oder David Finchers "Panic Room". Doch stets
sind die Gewichte um entscheidende Millimeter verschoben worden, so dass
vieles vertraut, aber nichts auch nur im entferntesten berechenbar
erscheint.
Trotz all dieser Anleihen und Verknüpfungen zum Mainstream-Kino ist
"Signs" ein unverkennbarer Shyamalan geworden. Es ist vor allem die
traumhafte, düstere Bildsprache des Regisseurs, die den Zuschauer fort
von gewohnten Mainstream-Sehgewohnheiten in die Abgründe des
Shyamalanschen Universums ziehen.
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...und es wartet auf dem Dachboden. |
Shyamalan provoziert unangenehme Stimmungen, legt falsche und gar nicht
so falsche Fährten, er zielt aus immer neuen Perspektiven ins Dunkel. Er
löst das Geheimnis, das mit den Kornkreisen seinen Anfang nimmt und in
einer scheinbar weltumspannenden Bedrohung mündet, nur in Andeutungen.
Doch ist die Gefahr wirklich von planetarer Dimension? Fast nie kann
sich der Zuschauer sicher sein, denn M. Night Shyamalan beschränkt sich
bei der Darstellung der herannahenden Katastrophe ganz allein auf die
Perspektive der schon vorher emotional schwer belasteten Kleinfamilie
des Ex-Priesters Graham Hill und lässt überörtliche Geschehnisse nur
durch Bruchstücke von Nachrichtensendungen erahnen. "We dream all that",
lässt Shyamalan seine jüngste Hauptdarstellerin Abigail Breslin sich in
einer Szene wünschen.
Hier zeigt sich der Regisseur als wahrer Hitchcockschüler, denn so wie
es der Suspense-Meister einst beispielhaft vormachte, erzeugt Shyamalan
den wahren Horror durch das, was er nur andeutet oder dem Zuschauer ganz
vorenthält, durch Geräusche, Schattenrisse, schemenhaft angedeutete
Gestalten und Formen, die nicht sein dürfen und nicht rational erklärbar
sind, durch nicht erklärbare Geräusche aus Funkgeräten oder durch
Fernsehsender, die plötzlich einfach verstummen.
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Vorsicht ist allenthalben geboten. |
Die versierte Darstellerriege ist überschaubar wie bei einem
Theaterstück. Action findet fast nur im Dialog, in bruchstückhaft
eingespielten Nachrichtensendungen oder außerhalb der Leinwand statt. In
einer Zeit, in der Hollywood auf knallbunten Rummel und
perfektioniertes, Special-Effects-gestyltes Unterhaltungsgetöse setzt,
beweist M. Night Shyamalan einmal mehr Mut zur Langsamkeit. Der Kampf
zwischen Gut und Böse entbrennt in keinem feuerflammenden
Special-Effects-Overkill oder martialischem Kriegsgedonner, sondern
schwelt sozusagen mit angezogener Handbremse. Nur am Schluss geraten
Shyamalan die erzählerischen Fäden etwas aus der Hand: Im Gegensatz zu
den beiden sehr geschlossenen Vorgängerwerken führt er "Signs" in den
letzten Minuten zu einer unerwartet oberflächlichen, geradezu banalen
und an einem Subplot aufgebauten Auflösung, die angesichts der
Erwartungshaltungen an seinen neuen Film so manche Enttäuschung auslösen
dürfte.
Trotz dieser unübersehbaren Schwäche ist "Signs" eine düstere Meditation
über das Unbekannte und Unheimliche, von dem wir erahnen, dass es
"irgendwo da draußen" – vielleicht in einem Maisfeld oder auch auf dem
Dach unseres Hauses – auf uns lauert, ein betörendes, verstörendes,
atmosphärisches Stück Kino, das mit angenehm vielen Zeitgeist-Regeln des
gängigen Hollywood-Mainstreams bricht.
Johannes Pietsch
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