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Telefavela

René Pollesch wird gern als „ungekrönter Serientäter des Theaters“ bezeichnet, was sich nicht nur auf die Schnelligkeit bezieht, mit der er seine Stücke produziert sondern auch auf die Form seiner Arbeiten.

Der Regisseur und Autor benutzt häufig Film- und Fernsehstoffe als Vorlage, und er produziert selbst Theaterserien, man denke an „Heidi Hoh“ oder die Prater-Trilogie. Eines seiner letzten Projekte war die vierteilige TV-Serie „24 Stunden sind kein Tag“, mit bewährten Pollesch-Schauspielern in der Neustadtbühne gedreht, ausgestrahlt im Fernsehen und inzwischen auf Video erhältlich. Polleschs neueste Theaterproduktion „Telefavelas“ bezieht sich schon im Titel auf die Telenovelas, südamerikanische Fernsehseifenopern, und die verwickelte Figurenkonstellation ist einer Soap durchaus würdig. Das Dienstmädchen Pablo (Caroline Peters) liebt die Contessa (Sophie Rois), die am liebsten nur im Hubschrauber unterwegs ist, um die Dienstboten, die in Slums unter Plastikplanen leben, nicht sehen zu müssen. Big Daddy (Volker Spengler), seit zehn Jahren mit der Contessa liiert, sucht seinen Enkel, den Erben seines Imperiums; das ist, ohne es zu wissen, niemand anderes als Pablo. Dessen Tante Usnavy (Désirée Nick), „benannt nach einem Schiff, das zu US Navy gehörte“, ist ebenfalls scharf auf das Erbe und versucht, ein Zusammentreffen von Big Daddy und Pablo zu verhindern.

Die aus dieser Figurenkonstellation resultierende Handlung wird mehr erzählt und behauptet als gespielt. In Wirklichkeit steht im Mittelpunkt des Abends die Beziehung zwischen Pablo und der Contessa, oder anders ausgedrückt: „die Krise des Normalarbeitsverhältnisses durch die zunehmend informelle Organisation der Zivilgesellschaft“. Der verliebte Pablo braucht Dinge, die ihn an die Contessa erinnern: „Ich muss etwas von ihr bei mir haben, das beruhigt mich, also klau ich die ganze Zeit Sachen, die da rumliegen. Also nicht nur Sachen, auch Geld.“ Die Contessa, noch im gestrigen Denken verhaftet, wie Pablo erläutert, versteht den Liebesbeweis des Dienstmädchens zu unrecht als Diebstahl. Doch nicht nur das, die Arme hat noch mehr Probleme: Weil sich die Sicherheitskräfte verweigerten, wurde sie in ihrem Haus zusammengeschlagen und ausgeraubt. „Wer war’s denn?“ fragt Svetlana (Christine Groß) - „Die Sicherheitskräfte! Sie kannten alle Sicherheitscodes.“ Zudem kommt die Contessa mit ihrer Rolle als Sexsymbol nicht mehr zurecht, und dann nervt auch noch Big Daddy, der nach zehn Jahren des Zusammenseins ganz gerne mal mit ihr ins Bett ginge, „kuscheln oder so.“

René Polleschs neues Stück ist schauspielerfreundlicher als die vorhergehenden. Der Regisseur verzichtet auf die Drastik seiner „Schreiwettbewerbe“, ersetzt sie durch mehr dialogische Strukturen und auch durch mehr Spiel und lässt den Darstellern Zeit wo es früher galt, möglichst viel Text in möglichst kurzer Zeit ans Publikum zu bringen. Das ist fast schon Schauspielertheater, und im Mittelpunkt des Abends steht eine kongeniale Schauspielerin: Sophie Rois. Die große Diva der Volksbühne begeistert kreischend, knarzend und kieksend und ist dabei unglaublich sexy, während alle anderen (vielleicht mit Ausnahme von Caroline Peters als Pablo) sich als schmückendes Beiwerk um sie scharen zur großen Sophie Rois-and-Friends-Show. Nicht, dass die KollegInnen nicht gut wären in dem, was sie machen, sie kriegen einfach nicht so viel zu spielen und haben so nicht die Gelegenheit, derartig zu glänzen. Allerdings lohnt Sophie Rois grandiose Performance allein schon durchaus den Besuch des Praters, selbst wenn man mit Pollesch sonst nichts am Hut hat. „Telefavela“ ist mit seiner handlungs- und dialogbezogenen Anlage stärker als die Vorgängerstücke, die noch eher unentschlossen zwischen den alten, inzwischen vielleicht zu oft zelebrierten Ausdrucksmitteln, und neuen Ideen hin- und her wechselten. Aber die veränderte Form ist nur der eine Teil des Abends, inhaltlich bleiben Polleschs Agitationen, die hier wie in jedem Stück mit neuem Schwerpunkt dargeboten werden, beim Bewährten - noch immer ohne zu langweilen.

Nora Mansmann

Der aktuelle Spielplan der Volksbühne (Prater)

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