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WindtalkersNach dem 11. September und dem Afghanistan-Krieg war es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Kriegsfilm kommt. Jetzt ist er da, doch man hätte auch auf ihn verzichten können. Corporal Joe Enders (Nicolas Cage) steckt mit seiner Einheit während des Zweiten Weltkriegs in einem Sumpfgebiet auf einer Insel der Salomonen-Gruppe fest; eingekreist von Japanern und chancenlos. Enders hält trotz der aussichtslosen Lage an seinem Befehl fest und denkt nicht an Rückzug. Als sein letzter Mann fällt, verflucht dieser Enders... dann wird der Corporal selbst von einer Granate schwer verletzt. Action-Veteran John Woo nimmt sich mit "Windtalkers" des Zweiten Weltkriegs an und zeichnet die amerikanische Einnahme der Insel Saipan nach. Titelgebend sind die "Windtalkers"; Navajo-Indianer, die den amerikanischen Streitkräften einen Code bescherten, der während des gesamten Krieges von den Feinden nicht entschlüsselt werden konnte. Nun könnte man angesichts des Titels und dem moralisch fragwürdigen Befehl, der an die Beschützer der Navajo-Funker gerichtet wurde, annehmen, "Windtalkers" fokussiere die Geschichte eben dieser Soldaten; doch weit gefehlt! Woo nimmt diese Geschichte nur als Aufhänger, um seine Hauptcharaktere zusammenzubringen. Ist dies geschehen, reiht er schon beinahe gelangweilt lautstarke Kriegsszenen an postmilitärisches Geplänkel und wieder an lautstarke Kriegsszenen. Dabei werden – wie in Kriegsfilmen aus der Traumfabrik Hollywood so üblich – dem Zuschauer eine handvoll Soldaten in ihren vorzugsweise platten Eigenschaften vorgestellt. Soweit diese für den seichten Fortgang der Geschichte über eine Schlacht hinaus von Bedeutung sind, überleben sie unversehrt; andernfalls kommen sie möglichst tragisch und schockierend ums Leben ... dass um sie herum noch hunderte andere Soldaten ihr Leben lassen, ist in solchen Momenten kaum von Bedeutung. "Windtalkers" exerziert dieses altbekannte Muster dermaßen offensichtlich und dumm, dass man sich in mancher Szene wirklich fragen muss, ob das Ganze überhaupt ein ernstgemeinter Kriegsfilm sein will. Wenn die handlungsrelevanten Hauptfiguren selbst das Sperrfeuer eines halben Dutzend Japaner aus nächster Entfernung ohne die kleinste Fleischwunde überstehen, ihrerseits jedoch mit jedem Schuss aus einer mickrigen Pistole die Feinde reihenweise niederstrecken, dann gehört dies noch zu den geringeren Übeln; weitaus schwerer wiegt da so mancher Logikfehler: So darf man sich wundern, dass amerikanische Truppen des öfteren Luftunterstützung erhalten, die Japaner jedoch ihrerseits auf eigenem Gebiet offenbar nicht auf die Idee kommen, Flugzeuge einzusetzen; im Hinblick auf die Historie des Zweiten Weltkriegs und die japanischen Kamikazepiloten eine denkbar desolate Interpretation des Geschehens. Mehr Zeit als für akkurate Geschichtsstudien nahm man sich allerdings für nationalistische Plattheiten. Da gibt es neben den für Amerika kämpfenden Navajos natürlich einen amerikanischen Soldaten, der die indianischen Kameraden wider Willen nicht leiden kann und der um die ein oder andere Stichelei wie Prügelei nicht verlegen ist. Dass eben dieser Charakter – um sich selbst nicht allzu sehr zu beschämen, bleibt es bei einem – im Laufe der Geschichte eines besseren belehrt wird und sein Leben am Ende einem der vermeintlichen Feinde zu verdanken hat, ist ebenso obligatorisch und unerträglich wie der Märtyrertod des strahlenden Helden. Was den Film nicht erträglicher macht, aber qualitativ auszeichnet, ist die technische Umsetzung. Die Kulissen wirken mit ihren Schützengräben und Bombenkratern beängstigend real und im lebendigen Schlachtengetümmel schafft Kameramann Jeffrey L. Kimball (der zuletzt gemeinsam mit Woo "Mission: Impossible II" inszenierte) durch eine eigenwillige Synthese aus hektischen Bildern sowie fast schon deplaziert-ruhig wirkenden Kamerafahrten eine Atmosphäre, die es durchaus versteht, den Zuschauer mitzureißen. Hier nehmen sich Woo und sein Team oftmals aber selbst den Wind aus den Segeln. Die beste Szene des gesamten Films findet sich am Anfang, wenn urplötzlich und vom Zuschauer unerwartet buchstäblich der Krieg über ihn hereinbricht. In allen folgenden Kampfsequenzen wird nun verzweifelt versucht, diese Leistung zu wiederholen; mit dem Ergebnis, dass der Zuschauer Minuten vor einer Schlacht selbige voraussieht. Gleiches gilt für das pathetische Ende dieses 133-minütigen filmischen Debakel. Was John Woo hier abliefert, ist eine mittelschwere Dreistigkeit. Viele Kriegsfilme sind bei den Kritikern gescheitert, doch nur wenige derart zurecht wie "Windtalkers". Hätte man sich auf die interessante wie spannende Geschichte der Navajo-Indianer konzentriert, wäre unter Umständen ein passabler Film entstanden; durch die stupide Aneinanderreihung nationalistischer Platitüden gepaart mit logischen Löchern von den Ausmaßen eines Bombenkraters ist "Windtalkers" jedoch nicht mehr als hollywood'scher Standardausschuss. David Bergmann |
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