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Brasilien ist Weltmeister

Als um 22.09 Uhr Ortszeit der Weltpokal von Fifa-Präsident Joseph Blatter zu Brasiliens Kapitän Cafu wanderte und das Siegerpodium in einen Konfettiregen getaucht wurde, saßen die deutschen WM-Helden gut 30 Meter entfernt auf dem Rasen, blickten traurig und enttäuscht in Richtung des nun fünfmaligen Rekord-Weltmeisters.

Superstar Ronaldo hatte mit zwei Toren (67./79.) den 2:0-Erfolg der Südamerikaner im International Stadium von Yokohama perfekt gemacht und den deutschen Traum vom vierten WM-Triumph nach 1954, 1974 und 1990 zerstört. »Brasilien ist ein würdiger Weltmeister. Sie haben sehr starke Offensivspieler, die zur gehobenen Weltklasse zählen. Aber auch hinten sind Akteure, die sehr kompakt stehen und kopfballstark sind, und sie haben einen sehr guten Torwart«, kommentierte Teamchef Rudi Völler, der aber auch seiner Mannschaft ein Lob zollte: »Ich bin sehr zufrieden mit dem Erreichten. Schließlich müssen wir auch daran denken, wer uns bei diesem Turnier nicht zur Verfügung stand.« Bundespräsident Johannes Rau, Bundeskanzler Gerhard Schröder und Kanzlerkandidat Edmund Stoiber beglückwünschten jeden einzelnen deutschen Spieler. Es war das erste Duell beider Teams in der WM-Geschichte gewesen.

Schon kurz nach dem Abpfiff des überzeugenden italienischen Schiedsrichters Pierluigi Collina gratulierte Völler Matchwinner Ronaldo, dem Star des WM-Finales vor knapp 70.000 Zuschauern. Der Teamchef wechselte ein paar Worte auf italienisch mit Ronaldo, der fast schon Sportinvalide war und bei der ersten WM im neuen Jahrtausend ein sensationelles Comeback feierte. Trotz der Niederlage herrschte im deutschen Lager Zufriedenheit über das Abschneiden in Asien.

»Wir können erhobenen Hauptes nach Hause fahren. Eine gewisse Enttäuschung ist natürlich da, aber die Mannschaft hat einen großen Gemeinschaftssinn gezeigt und ist aus dem Nichts ins Endspiel eingezogen«, sagte DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder. Die deutschen Spieler hatten nach der Siegerehrung T-Shirts mit der Aufschrift: »Thank you Korea/Japan. See you in Germany 2006!« übergezogen. »Wir brauchen nicht mit dem Schicksal zu hadern. Die deutsche Mannschaft hat ein großes Turnier gespielt, wir können sehr glücklich über den Finaleinzug bei der WM sein. Der Gewinn der Vize-Weltmeisterschaft ist ein große Sache«, meinte »Kaiser« Franz Beckenbauer, der zusammen mit Blatter, Pelé und UEFA-Boss Lennart Johansson die Siegerehrung vorgenommen hatte. Am Montagabend wartet auf die deutsche Auswahl am Frankfurter Römer nach der Rückkehr aus Japan ein offizieller Empfang. Beckenbauer sieht positive Auswirkungen für den deutschen Fußball – trotz der Niederlage: »Eine bessere Werbung hätte die deutsche Mannschaft gar nicht machen können.«

Zum siebten Mal stand Deutschland im WM-Finale und musste sich zum vierten Mal nach 1966, 1982 und 1986 mit dem Vize-Weltmeistertitel zufrieden geben. Die Schützlinge von Teamchef Rudi Völler zogen sich gegen die favorisierten Ballzauberer vom Zuckerhut sehr gut aus der Affäre, vergaben aber reihenweise ihre Möglichkeiten. »Wir hatten die Brasilianer am Rande einer Niederlage. Wir besaßen genug Chancen, hatten einen Pfostenschuss. Es sollte einfach nicht sein. Ab Montag zählt nur noch eins: Die WM 2006 in Deutschland«, kommentierte der Dortmunder Youngster Christoph Metzelder, der zu den beständigsten deutschen WM-Spielern gehörte.

Die Völler-Elf besaß im Endspiel deutlich mehr Spielanteile, was auch der Ballbesitz von 56 Prozent ausdrückt. Ausgerechnet Kapitän und »Supermann« Oliver Kahn war Wegbereiter der Niederlage, denn beim 0:1 ließ er einen Schuss von Rivaldo abprallen – und Ronaldo konnte in Abstaubermanier vollstrecken. Kahn, der zuvor mit einigen Weltklasseparaden einen Rückstand gegen Brasilien verhindert hatte, war nach dem Abpfiff kaum zu trösten. Der 33-jährige lehnte fast teilnahmslos am Torpfosten, schleuderte seine Trinkflasche lustlos weg. Auch die Anteilnahme der Mitspieler und des Teamchefs konnten ihm nicht helfen. »Es hilft kein Trost. Es war mein einziger Fehler in sieben Spielen, der wurde bitter bestraft. Ich glaube, dieses Turnier und diese Mannschaft waren außergewöhnlich, was den Teamgeist anbelangt. Irgendwann, da bin ich sicher, werden wir auch was ganz Großes erreichen«, erklärte Kahn, der einen Bänderriss in einem Finger der rechten Hand erlitt. Die Verletzung sei aber nicht entscheidend für seinen Fauxpas gewesen.

Beckenbauer zog eine historische Parallele zu Kahns Fehler: »Ich habe mich sofort an die WM 1986 in Mexiko erinnert. Da unterlief Torhüter Toni Schumacher im WM-Endspiel gegen Argentinien der Fehler zum 0:1.« Während die Deutschen trauerten, herrschte im brasilianischen Lager Festtagsstimmung, sorgte der fünfte WM-Triumph nach 1958, 1962, 1970 und 1994 für ekstatischen Jubel in der Heimat, wo Millionen am frühen Morgen die »Penta« im Samba-Rhythmus zelebrierten.

Im Mittelpunkt der Ovationen stand dabei natürlich Ronaldo, der mit acht Treffern auch Torschützenkönig wurde und sein tolles Comeback nach mehr als zweijähriger Verletzungspause krönte. »Die Tore haben die Arbeit von mir und der ganzen Mannschaft gekrönt. Dass ich auch noch Torschützenkönig bin, ist unglaublich. Ich habe zweieinhalb Jahre lang damit verbracht, nach meiner Verletzung wieder gesund zu werden, und heute hat Gott mich und meine Mannschaft belohnt«, sagte der überglückliche 25-Jährige, dessen Frisur im Dreiecksformat jetzt endgültig Kult in seiner Heimat werden dürfte. »Diesen Sieg widme ich in erster Linie meiner Familie und all den Leuten, die immer an mich geglaubt haben. Auch meinem Physiotherapeuten, der mit mir gekämpft hat, ohne ahnen zu können, dass wir zwei Jahre später hier stehen würden.«

Trainer Luiz Felipe Scolari inszenierte für Ronaldo noch einen grandiosen Spezial-Abschied, als er ihn kurz vor dem Ende für Denilson auswechselte. Die Schmach von 1998 war getilgt, als Brasilien das Finale gegen Frankreich mit 0:3 verloren hatte. Mit insgesamt zwölf WM-Treffern 1998/2002 schloss Ronaldo außerdem zum brasilianischen Idol und dreimaligen WM-Champion Pele in der ewigen Rangliste auf.

Überglücklich war auch der Leverkusener Brasilianer Lucio. Nach dem Vize-Triple mit Bayer konnte sich der Abwehrrecke nun umso mehr über diesen Triumph freuen, während seine Mannschaftskollegen Michael Ballack, Bernd Schneider, Oliver Neuville, Carsten Ramelow und Jörg Butt erneut nur Zweite wurden – zum vierten Mal in dieser Saison. Dies ist fast einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde wert...

Bis zum 0:1 hatte sich die DFB-Auswahl vor rund 2000 eigenen Fans großartig geschlagen. Die deutschen Anhänger würdigten auch nach dem Schlusspfiff die Leistung des Verlierers, der in Südkorea und Japan viel mehr erreichte, als man ihm vorher zugetraut hatte. In der Fankurve bedankten sich die deutschen Spieler für die Unterstützung mit einer Welle.

[bs]

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