Eberhard Diepgen blickt zurück

Es ist recht selten, dass ehemalige Mächtige, Politiker zumal, Rechenschaft über ihr öffentliches Wirken ablegen. Mit Eberhard Diepgen hat sich der ehemalige Regierende Bürgermeister Berlins an dieses Vorhaben gewagt: "Zwischen den Mächten. Von der besetzten Stadt zur Hauptstadt" heißt sein Buch, mit dem er seine gut 15-jährige Regierungszeit - vor und nach der Deutschen Einheit - Revue passieren lässt. Entstanden ist dabei eine sehr persönliche, naturgemäß auch subjektive, Betrachtung seiner Politik in und für Berlin, seiner Weggenossen und der politischen Auseinandersetzungen.

Eberhard Diepgen: Zwischen den Mächten
Foto: Edition Q
Als Diepgen, gerade 43 Jahre alt, 1984 Nachfolger Richard von Weizsäckers als Regierender Bürgermeister wurde, waren Berlin und Deutschland noch geteilt. Eine Vereinigung beider Teile schien in weite Ferne gerückt zu sein. Als der gebürtige Berliner gut sieben Jahre später - nach einem rot-grünen Intermezzo - erneut ins Amt kam, war nicht nur die Mauer gefallen, auch Berlin war wieder eine Stadt.

Die Vorzeichen seiner Regierungsarbeit hatten sich also binnen weniger Jahre vollkommen verändert. Diepgen schildert diese Veränderungen, die er hautnah miterleben konnte, auf die ihm eigene Art: Präzise, kühl und mit hintergründigem Humor.

Wie im Buchtitel vermerkt, war er als Regierender Bürgermeister nicht immer frei in seinen Entscheidungen: Stand Berlin zu Mauerzeiten noch unter dem Vorbehalt der Alliierten, wodurch stets in enger Abstimmung mit ihnen zu agieren war, wurden auch nach der Einheit einige weitreichende Weichenstellungen über die Zukunft der Stadt anderswo vorgenommen - etwa als der Bundestag am 20. Juni 1991 über die künftige Hauptstadt entschied.

Auf den 344 Seiten zeichnet Diepgen mit leichtem Federstrich ein Porträt Berlins - und gibt gleichzeitig seine eigenen, durchaus streitbaren Interpretationen der Dinge hinzu. Er selbst drückt die Intention so aus: "Ich will die Situation Berlins mit persönlichen Erinnerungen und politischen Anmerkungen beschrieben. Historikern will ich damit nicht ins Handwerk pfuschen." Dies ist zweifellos richtig. Berlin-Historiker und Berlin-Interessierte werden an diesem Buch dennoch kaum vorbeikommen.

Stefan Ewert

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